Guido La Barbera
Kriege der Krise des Ordnung

Warum unterscheiden wir den Ukraine-Krieg und auch den Gaza-Krieg von den bisherigen als Kriege der Krise der Ordnung? Der Unterschied liegt in der neuen strategischen Phase, die mit dem neuen Jahrhundert begonnen hat, und im Zustand der durch die ungleiche Entwicklung erschütterten und veränderten globalen Mächtebalance. Peking ist heute ein echter Rivale der Vereinigten Staaten, in der Lage, eine Revision der alten Ordnung und der Institutionen zu fordern, deren Strukturen auf das Ende des Zweiten Weltkriegs zurückgehen. Das ist die Krise der Ordnung, in der Tat. Auf dieser Grundlage haben wir die chinesischen Aufrüstungspläne bis 2035 bewertet und die Prognosen der strategischen Zentralen der herrschenden Klasse überprüft und zwei mögliche Entwicklungen angenommen: eine Reihe von partiellen Konflikten, die sich zu Jahren »noch nie dagewesener Spannungen« miteinander verketten, oder der Ausbruch eines großen Krieges zwischen Großmächten. Der erste Teil unserer strategischen Hypothese hat sich bestätigt. Die Kriege der Krise der Ordnung sind im Gange. Dies schließt zwar für die Zukunft die zweite Entwicklung, den Bruch der Ordnung in einem großen Krieg, keineswegs aus, aber es geht heute darum, sorgfältig und mit wissenschaft licher Präzision die neu auommenden Ideologien des Krieges einzuschätzen, und ihre politischen Ziele und strategischen Zwecke zu ermitteln. In den USA begründet die Rückkehr des kommenden Krieges erstens die gegen China gerichteten Linien, die die neuralgischen Punkte Taiwan und Südchinesisches Meer gegen Peking einsetzen. Zweitens wird damit die Absicht verfolgt, Europa, das im Stellvertreterkrieg gegen Russland erstarrt ist, das man aber auch in die Block-gegen-Block-Konfrontation gegen eine russisch-chinesische Achse hineinziehen möchte, zu beeinflussen. In Europa will man den Schlag parieren, indem man zwischen den Winden des Krieges zugunsten eines gewissen Maßes an strategischer Autonomie innerhalb der transatlantischen Allianz manövriert, jetzt wo die Bindung mit den USA weniger sicher ist. Durch die Aufrüstung der Ukraine – so heißt es – kann die Union sich selbst aufrüsten. In China, das dabei ist eine militärische Kraft von weltweiter Dimension zu schaffen, wird die Drohung des kommenden Krieges in umgekehrter Weise instrumentalisiert: Um ihn zu verhindern, so wird behauptet, setzt sich Peking – in Anbetracht der Unfähigkeit Amerikas die alte Ordnung aufrechtzuerhalten und anzupassen – für einen neuen Multilateralismus ein, einer reformierten neuen Ordnung, die die aufstrebenden neuen Mächte des Globalen Südens einbezieht. Der gemeinsame Faktor ist also die Aufrüstung. Sicher ist vorläufig – hinsichtlich der Ideologien der Rückkehr des Krieges und dem Eingeständnis, dass ein Krieg zwischen Großmächten erneut möglich ist – der Beginn eines neuen Zyklus von Rüstungsausgaben und die Absicht, den politischen Zyklus, die Haushaltsprioritäten und die Mythen für die Massen nach den neuen Merkmale des weltweiten Wettstreits, auszurichten. Das ist noch nicht der Endpunkt des Bruchs der Ordnung. Aber es ist der Startschuss ihrer Krise.


November 2024, cart.

ISBN 978-2-490073-71-9

serie : Texte

20,00€

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